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Tarifpartnerschaft 2.0 – wie meistern wir die zukünftigen Herausforderungen?

Das Thema «Tarifpartnerschaft» geht 2024 in die nächste Runde. Auf dem politischen Parkett stehen in den nächsten Jahren eine Vielzahl an Änderungen an oder sind in Planung, die direkten Einfluss auf die Tarifpartnerschaft, die Preisbildung und die Zusammenarbeit haben werden. Es bleibt spannend und herausfordernd.

Umgestaltungen im System

Im Jahr 2023 stand bei der Einkaufsgemeinschaft HSK das Thema Tarifpartnerschaft im Fokus. Unter dem Slogan «Tarifpartnerschaft auf dem Prüfstand!» haben wir die Thematik mit Expertinnen und Experten des Gesundheitswesens das ganze Jahr aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und erörtert. Ist das Thema mit dem Höhepunkt am HSK Forum 2023 somit ausdiskutiert? Bei weitem nicht, denn in den nächsten Monaten und Jahren steht eine ganze Reihe an fundamentalen Änderungen auf der nationalen Agenda des Gesundheitswesens. Damit wartet nicht nur eine Vielzahl an neuen Herausforderungen auf alle Akteure, sondern auch die Tarifpartnerschaft wird noch stärker auf die Probe gestellt, als sie das bislang ohnehin schon wurde.

Wir werfen daher im folgenden Newsletter-Beitrag einen Blick auf die anstehenden Umgestaltungen im System und fragen uns, wo wir aktuell im Prozess stehen und welche Implikationen hieraus für die Tarifpartner im Allgemeinen, für uns als Tarifverhandlerin im Speziellen und für die Tarifverhandlungen als Ganzes erwachsen.

Umgestaltungen im Gesundheitssystem und Herausforderungen für Tarifpartner, Bildnachweis: istock.com|DNY59

Umgestaltungen im Gesundheitssystem und Herausforderungen für Tarifpartner, Bildnachweis: istock.com|DNY59

DigiSanté und SpiGes

Zu den grossen Eckpfeilern des Wandels gehört das Programm DigiSanté, mit dem der Bund bis 2034 den Rückstand des Schweizer Gesundheitswesen in Sachen Digitalisierung aufholen möchte. Das Programm beinhaltet rund 50 verschiedene Projekte mit verschiedenen Stossrichtungen. Eines davon ist das Projekt «Spitalstationäre Gesundheitsversorgung» (SpiGes). Gemäss dem «Once-Only-Prinzip» sollen Daten von den Leistungserbringern nur einmal erhoben und eingespeist werden, um sie dann an einem Ort konsolidiert den gesetzlich vorgesehenen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Entscheidend für einen erfolgreichen Projektausgang wird sein, dass die Datenbedürfnisse der beteiligten Akteure gleichermassen Berücksichtigung finden und in einem partnerschaftlichen Ansatz sowohl Datenerhebung, -transfer sowie -zugang gemeinsam definiert werden. Nur die Einbindung aller Seiten macht «Once-Only» erst möglich und fördert eine gute Zusammenarbeit und Tariflösungen.

Neuer Monitoring Artikel 47c des KVG

Im Rahmen des Kostendämpfungspakets 1b traten per 1. Januar 2024 verschiedene Massnahmen in Kraft, darunter der neue Artikel 47c KVG. Auch dieser wird einiges an Änderungen mit sich bringen. Danach werden die Tarifpartner verpflichtet, «ein gemeinsames Monitoring der Entwicklung der Mengen, Volumen und Kosten sowie Korrekturmassnahmen bei nicht erklärbaren Mengen-, Volumen- und Kostenentwicklungen» vorzusehen.

Der Gesetzestext hat wesentliche Fragen der Umsetzung offengelassen, lässt viel Interpretationsspielraum und bietet somit hohes Potential für heisse Diskussionen. So bleibt beispielsweise unklar, ob die Definition der Massnahmen in Verträgen zur Tarifstruktur oder in solchen zur Tariffestlegung zu erfolgen hat.  War es bisher schon herausfordernd, sich auf eine Tarifstruktur oder einen Tarif zu einigen, wird es zukünftig nochmals eine Stufe anspruchsvoller, einvernehmliche Lösungen zu finden. Die zentrale Fragestellung lautet somit auch hier, wie diese zusätzliche Herausforderung tarifpartnerschaftlich und im Sinne einer branchenweiten Lösung umgesetzt werden kann.

Kostenbremse-Initiative im Widerspruch zu Artikel 47c des KVG

Noch herausfordernder könnte es werden, wenn die Kostenbremse-Initiative der Mitte oder der Gegenvorschlag des Parlaments Mitte Jahr zur Abstimmung kommen und angenommen würde. Die Initiative sieht eine ausschliessliche Koppelung des Bremsmechanismus an die Wirtschafts- und Lohnentwicklung vor. Zudem verordnet sie staatliches Eingreifen für den Fall, dass sich die Tarifpartner nicht innerhalb von 2 Jahren auf Massnahmen verständigt haben. Der Gegenvorschlag des Parlaments beinhaltet hingegen, dass der Bundesrat und die Kantone, Kosten- und Qualitätsziele für einen 4-Jahreszeitraum in der Obligatorischen Krankenversicherung (OKP) vorgeben und das Monitoring durch eine Kommission erfolgt. Sowohl Initiative wie auch Gegenvorschlag regeln dieselbe Thematik wie Artikel 47c des KVG auf unterschiedliche Weise und stehen damit zumindest in noch ungeklärtem Konflikt zu ihm. Es stellt sich unweigerlich die Frage, welche Regelung bei Annahme der Initiative oder des Gegenvorschlags gelten würde bzw. Vorrang hätte. Je nach Ausgestaltung dieser Regelungen würden die Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern nochmals massiv an Komplexität zunehmen – ohne erkennbaren Mehrwert für Prämien- und Steuerzahlerinnen und -zahler.

Bedarf an neuen Spielregeln zur Tarifermittlung

Bislang kam es in Tarifverhandlungen und -festsetzungen zudem immer wieder zu kontroversen Diskussionen über die Methodik beim Benchmarking und den Betriebsvergleichen (Art. 49 KVG). Divergenzen bestehen vor allem im Hinblick auf die Einbindung oder den Ausschluss von bestimmten Spitalgruppen (z.B. Unispitäler) oder deren Gewichtung sowie die Höhe des Effizienzmassstabs (Perzentil). Entsprechend unterschiedlich ist auch die Anzahl an verschiedenen Berechnungs-Modellen, die jährlich publiziert oder bei Festsetzungen für die Argumentation herangezogen werden (Einkaufsgemeinschaften, Preisüberwacher, Verein Spitalbenchmark, Kantone, etc.). 

Im Rahmen der Reform zur Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) plant der Gesetzgeber daher seit längerem, die wesentlichen Grundsätze zur Tarifermittlung schweizweit nach einer einheitlichen Methodik festzuschreiben. Ziel ist, einheitliche Rahmenbedingungen für die Tarifverhandlungen zu schaffen und die Differenzen zwischen den Tarifpartnern zu reduzieren, damit Tariflösungen gefunden werden. Mit einer solchen Regelung käme der Bund auch einer schon länger im Gesetz und in der Rechtsprechung verankerten Verpflichtung nach.

Nach zwei Vernehmlassungen im Herbst 2020 sowie Ende 2022 liegt nun ein überarbeiteter Kompromissvorschlag mit einem sogenannten «empirischen Modell» vor. Danach sollen zur Verbesserung der Vergleichbarkeit und zur Korrektur von Abbildungsungenauigkeiten der nationalen Tarifstruktur in einer Art «Zwischenberechnung» die Fallnormkosten der Spitäler korrigiert werden. Zusätzlich definiert der Entwurf das schweizweit für alle Spitäler massgebliche Perzentil und schliesst eine Gewichtung nach Fallzahl oder Casemix aus. Damit wären diese beiden Aspekte zukünftig gesetzt und würden zu mehr Klarheit und damit einer besseren Ausgangsbasis für Tarifverhandlungen führen.

Die grosse Herausforderung besteht nun darin, dass die Tarifpartner, mit Unterstützung von Expertinnen und Experten, sich an einen Tisch zusammensetzen und eine gemeinsame Methodik entwickeln. Die lange Dauer des bisherigen, politischen Einigungsprozesses zeigt bereits, wie hoch die Komplexität ist und wie herausfordernd es sein wird, sich auf ein branchenweites, empirisches Modell zu einigen. Gelingt es den Tarifpartnern nicht, innert angemessener Frist eine gemeinsame Benchmarking-Methode zu erarbeiten, kann eine solche auch höchst richterlich oder vom Bund festgelegt werden. Im Sinne der Wahrung der Tarifautonomie gilt es daher, dass alle Tarifpartner bei diesem Thema Konsensfähigkeit und Lösungsorientierung zeigen und eine zeitnahe Umsetzung forcieren. Für die Einkaufsgemeinschaft HSK ist zudem klar, dass ein empirisches Modell nur im Zusammenspiel mit der Regelung des Perzentils und der Gewichtung anwendbar ist.

Systemimmanente Fehlanreize und Überbrückungslösungen

Eine weitere Hürde im politischen Parcours scheint indes nach über 14 Jahren des Ringens fast überwunden. Die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) wurde Ende 2023 von Parlament endlich gutgeheissen. EFAS sieht vor, dass sich Kantone und Versicherer zukünftig zu gleichen Anteilen an der Finanzierung von ambulanten sowie stationären Leistungen beteiligen (Kantone zu 27%, Versicherer zu 73%). Damit fällt ein fundamentaler Fehlanreiz für die medizinisch und ökonomisch sinnvolle Verschiebung von stationären zu ambulanten Behandlungen endlich weg. Noch offen ist hingegen der Ausgang des Referendums, den der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD|SSP) aktuell gegen den Parlamentsentscheid ersucht. Falls EFAS diese Hürde auch noch schafft, liegt nichtsdestotrotz eine anspruchsvolle Zeit der Umsetzung vor allen involvierten Akteuren. So wird es bis 2032 dauern, bis EFAS vollständig ausgerollt ist und diesbezügliche Fehlanreize vollständig beseitigt sind.

Weitere Ursachen von Fehlanreizen liegen in den voneinander abgetrennten Tarifbereichen (Sektoren), den «Tarifsilos», selbst.  Die Versorgungsstrukturen und damit die Leistungserbringung richtet sich historisch nach der jeweiligen Versorgungsebene (Akutsomatik, Rehabilitation, Psychiatrie, Pflege usw.) und fokussiert sich nicht auf die Patientin oder den Patienten und deren bzw. dessen Bedürfnisse (siehe PwC, Zukunft der Versorgungslandschaft Schweiz). Hinzu kommt die Anwendung unterschiedlicher Tarifstrukturen im Spital, je nachdem ob die Leistung ambulant oder stationär erfolgt. Während sich das System an einzelnen Tarifbereichen orientiert, verläuft die Behandlung eines Patienten häufig über mehrere Silos hinweg. Schliesslich ist die nicht sachgerechte Abbildung des Aufwands im ambulanten Bereich durch die veraltete Tarifstruktur TARMED zu nennen. Aus all diesen Faktoren ergeben sich Verzerrungen, die zu Fehlanreizen führen und damit sowohl kostengünstigere wie auch qualitativ sinnvollere Behandlungspfade verhindern. Das Massnahmenpaket 1 hätte hier mit einem «Experimentierartikel» (Art. 59b KVG) sogenannte «Pilotprojekte zur Eindämmung der Kostenentwicklung» ermöglichen sollen. Leider ist dem Bund die Umsetzung auf Verordnungsebene (Art. 77/ KVV) derart missglückt, dass der Artikel aufgrund der viel zu detaillierten Vorgaben zu Bewilligungs- und Berichterstattungspflichten, hier keine Unterstützung für Innovationen der Tarifpartner bietet. So bleibt den Tarifpartnern nichts anderes übrig, bis zur Beseitigung der Fehlanreize auf Gesetzes- und Strukturebene, nach wirksamen Abgeltungslösungen und Anreizsysteme in den bestehenden Tarifstrukturen zu suchen. Solange EFAS noch nicht umgesetzt und der TARDOC nicht eingeführt ist, können aber auch solche Lösungsversuche der Tarifpartner nur bedingt Wirkung entfalten.

Wie weiter?

Abschliessend lässt sich somit festhalten, dass trotz oder gerade wegen der anstehenden, grossen Reformwellen und Umgestaltungen im Gesundheitssystem die Tarifpartnerschaft zum Schlüsselfaktor des Erfolgs werden wird. Um all die erwähnten, zukünftigen Herausforderungen zu meistern, müssen sich die Tarifpartner aufmachen und neue Ideen einbringen, offen für neue Ansätze und Herangehensweise sein und Bereitschaft für einen konstruktiven Dialog und Kompromisse zeigen.

Die Einkaufsgemeinschaft HSK hat aus diesem Grund das Motto «Tarifpartnerschaft 2.0 – gemeinsam neue Wege gehen!» zu ihrem neuen Jahresthema auserkoren. Das Thema verlangt auch eine neue Herangehensweise von uns selbst, als HSK, die Expertinnen und Experten an einem Ort zusammenzubringen. Daher sind wir derzeit an der Evaluation nach einem geeigneten Nachfolgeformat des HSK Forums, das der Entwicklung konkreter Ideen und Lösungsvorschläge mehr Raum bietet und deren konkrete Umsetzbarkeit stärker fördert. Die Einkaufsgemeinschaft HSK bietet damit Hand, eine neue Herangehensweise der Zusammenarbeit in der Branche ins Leben zu rufen und die Tarifpartnerschaft zu stärken. Unser Newsletter und unsere Social-Media-Kanäle halten Sie zu dem Thema auf dem Laufenden. Es bleibt spannend – bleiben Sie dran!

Ihre Meinung interessiert uns

Sie haben konkrete Ideen und Projekte? Dann zögern Sie nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen. (mail@ecc-hsk.info). Welchen Einfluss haben die von uns erwähnten Änderungen Ihrer Meinung auf die Tarifpartnerschaft? Was sind die anspruchsvollsten Herausforderungen und grössten Hürden, die Sie im Jahr 2024 erwarten? Treten Sie mit uns in einen Dialog – wir führen auf LinkedIn dazu in den nächsten Wochen verschiedene Umfragen durch und sind gespannt auf Ihre Meinung !

Autorin: Verena Haas, Kommunikation, Einkaufsgemeinschaft HSK AG


Weiterführende Informationen

«Zukunft der Versorgungslandschaft Schweiz», PwC: https://www.pwc.ch/de/publications/2020/zukunft-der-versorgungslandschaft-schweiz.pdf (kein aktiver Link)

Ihr direkter Kontakt

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Eliane Kreuzer

Geschäftsführerin
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